Lutherjahr 2017

“Ökumene“, dieses griechische Wort bedeutet „der bewohnbare Raum“. Im kirchlichen Bereich dient dieser Begriff für die vielfältigen Bemühungen der Kirchen und Konfessionen um die sichtbare Einheit der Christen. Im gesamten „bewohnten Raum“, d.h. auf der ganzen Erde, sollen die Christen dem Befehl Jesu entsprechen, „damit sie alle eins seien“ (Joh 17,21). Diesem Wunsch steht die Zersplitterung der Kirche in Konfessionen und kirchliche Gemeinschaften entgegen. Jahrhunderte lang wurden die Spaltungen hingenommen und die Gräben vertieft. Die Nöte und Herausforderungen des 19. und 20. Jahrhunderts brachten die Christen näher zusammen.
Zunächst waren es vor allem mutige und visionäre Einzelpersonen und Gruppen, z.B. in der „Una-Sancta-Bewegung“. Nach dem 1. Weltkrieg wurde vor allem in Deutschland die Ökumene-Bewegung zu einer
wachsenden Bewegung unter Jugendlichen und Akademikern. Die Erfahrungen der Zeit des Nationalsozialismus, in der viele erstmals die andere Konfession kennenlernten, bedeuteten einen zusätzlichen Anschub für die Ökumene. Ich erinnere an den Theologen Dietrich Bonhoeffer auf evangelischer Seite, an den Priester Max Joseph Metzger oder an den Jesuiten Alfred Delp und damit an herausragende Menschen mit einem tiefen und leidenschaftlichen ökumenischen Bewusstsein und an ihre Vorstellung von einer neuen Gesellschaftsordnung. Alle drei wurden von den Nazis hingerichtet, aber sie wirkten in eigener Weise weiter. Für mich sind sie seit Jahren wichtige Wegbegleiter geworden – besonders in Verbindung mit der kleinen und doch wirksamen
internationalen Friedensbewegung Pax Christi.
Für die katholische Kirche war sicherlich das vom Roncalli-Papst, Johannes XXIII., einberufene II. Vatikanische Konzil (1962 – 1965) entscheidend. Es war noch keine Versammlung aller christlichen Konfessionen, aber viele schickten Beobachter oder arbeiteten an den Texten des Konzils mit. Das „Dekret über den Ökumenismus“ ist für die Katholiken der bleibende Auftrag zu einem intensiven Bemühen um die Einheit der Christen.
Schließlich muss auch die „Ökumenische Versammlung für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung“ gewürdigt werden. Von Carl Friedrich von Weizsäcker mitbegründet, entwickelte sie sich seit 1988 weltweit und wurde in der ehemaligen DDR zur starken
ökumenischen Bewegung bis hin zur friedlichen Revolution und zum Fall der Mauer 1989. Beim Besuch in der Leipziger Nikolaikirche im April d.J. wurde uns das wieder sehr bewusst.
(Peter Brummer im Mai 2017)